Der Apostel Jakobus

0046-7_nusplingen_st_peter_und_paul_apostelfries_p1000210Aus dem Neuen Testament wissen wir, dass der Apostel Jakobus, Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes, - auch Jakobus der Ältere genannt - zusammen mit seinem Bruder zu den erstberufenen Aposteln gehörte und der erste war, der unter König Herodes Agrippa I in Jerusalem das Martyrium durch Enthauptung erleiden musste.

Dass Jakobus je spanischen Boden betreten hatte, bzw. dort sogar begraben liegt, ist nicht belegt und auch nicht wichtig. Denn der Pilger erreicht mit Gottes Hilfe und der Fürsprache des Apostels Jakobus sein äußeres und inneres Ziel, unabhängig davon, wo Jakobus seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

Theoretisch könnte man daher überall hinlaufen. Warum ist aber Santiago de Compostela ein so attraktives Ziel? Das Besondere des Jakobsweges ist, dass vor allem in Spanien, aber auch in Frankreich aufgrund einer 1000-jährigen Tradition, der Weg mit den von der Pilgertradition geprägten Menschen, kirchlichen Einrichtungen, Herbergen, Kulturdenkmälern den Pilger in zweifacher Hinsicht „trägt" (physisch und geistig) und ihn zum Ziel führt. Aber auch das Gefühl, dass man auf dem Camino nicht allein ist, macht den Weg attraktiv.



Pilgerreisen

 

PilgerstatistikEs ist sehr vereinfachend, wenn die offizielle Statistik aus Santiago de Compostela die Motive der Pilger in drei Gruppen einteilt: in religiöse, in religiös-kulturelle und in kulturelle Motive. Was immer man unter „kulturell" versteht: Es gibt ja schließlich auch die Sportlichen, die den Camino nur in kürzester Zeit zurücklegen wollen. Eine „kulturelle" Tat ist das sicher nicht! Die offizielle Statistik ermittelte für 2006, dass von den rund 100 000 Pilgern, die in Santiago angekommen waren, fast 42 000 religiös motiviert waren. Aber es waren fast die Hälfte aller Pilger, die religiös-kulturelle Motive im Sinne hatten. Dieser Anteil wuchs im Laufe der letzten Jahre deutlich. Das leuchtet ein; denn Jakobspilgern ist in Mode gekommen. So machen sich nicht nur Menschen auf den Weg, die aus tief religiösen Motiven angetrieben werden, sondern auch andere.  

Wie Ebbe und Flut entwickeln sich die Pilgerströme seit 1000 Jahren. Seit etlichen Jahren steigt auf dem Jakobsweg jedes Jahr die Zahl der Pilger an und die Gezeitenwende ist noch nicht erreicht. 100 000 Pilger waren 2006 in Santiago angekommen. Man vermutet, dass die vierfache Menge zusätzlich irgendwo vor Santiago unterwegs ist, weil viele Pilger, die einen langen Weg zu bewältigen haben, wegen fehlender Zeit oder Kraft diesen in kürzeren Abschnitten laufen. Eine halbe Million Menschen dürfte also 2006 in Europa Richtung Santiago unterwegs gewesen sein.
Das Jahr 2010 war ein Heiliges Jahr, indem 272100 Pilger Santiago erreichten. Dieser Wert wurde auch 2015 noch nicht erreicht. Interessant ist, dass das Heilige Jahr bei den deutschen Pilgern fast keine Rolle spielt. 2010, also im Heiligen Jahr, erreichten 14500 deutsche Pilger Santiago. 2011 waren es 16600 und 2015 18900 Pilger. Bei den deutschen Pilgern spielt vielmehr der Hape-Kerkeling-Effekt ein viel größere Rolle: Mit Erscheinen des Buches gab es einen deutlichen Zuwachs an Pilgern und mit dem Film 2015 auch. Quelle: Pilgerbüro in Santiago. 



Jakobuswege

 

Für die Spanier war und ist es selbstverständlich, dass der Camino an der Haustür beginnt („El camino empieza en la casa"). Angesichts der überschaubaren Entfernungen in Spanien sollte das für einen Spanier auch kein Problem sein. Je mehr man sich aber von Santiago und Spanien entfernt, desto zeitaufwändiger wird das Unternehmen und berufstätige Menschen haben heutzutage keine 3 Monate Zeit für eine Pilgerreise. Die Lösung ist eine Pilgerreise von zuhause in Abschnitten.

Seit dem Mittelalter ist der "Camino Francés" von Roncesvalles über Burgos und León bis Santiago der Hauptweg der Pilger in Spanien, auf den von Frankreich aus vier Routen zulaufen:

  • die "via tolosana", von Arles kommend, über Aix-en-Provence, Toulouse, an die der "Aragonesische Weg" nach Puente la Reina in Spanien anschließt,
  • die "via podiensis", von Le-Puy kommend, über Conques, Cahors, Moissac, Ostabat-Asme nach Saint-Jean-Pied-de-Port,
  • die "via lemovicensis", von Vézelay kommend, über Limoges nach Ostabat-Asme,
  • die "via turonensis", von Tours kommend, über Bordeaux nach Ostabat-Asme.

Diese historischen Wege sind in Frankreich auch als Fernwanderwege hervorragend gekennzeichnet, z.B. die Route von Genf über Le Puy bis nach Spanien hinein als GR 65. Östlich von Frankreich verzweigen sich die Wege zu einem die Länder überspannenden Netz.

In der Schweiz führen alle Wege nach Genf, von dort verläuft die "via gebennensis" bis Le Puy.

In Deutschland gibt es viele historisch belegte Pilgerwege, die zum Teil erst heute reaktiviert werden. Sie alle führen nach Süden Richtung Schweiz oder nach Südwesten/Westen Richtung Schweiz/Frankreich. Man erkennt diese alten Wege daran, dass es in ihrem Verlauf viele Jakobusdarstellungen, Jakobusstatuen, Jakobsmuscheln an Kirchen, historischen Gebäuden, Privathäusern gibt. Auch zeugen die vielen Jakobuskirchen von früher stark frequentierten Pilgerwegen. Im Südwesten Deutschlands bündeln sich die Wege. Sie führen am Rhein entlang, von Ulm Richtung Bodensee oder über die Schwäbische Alb Richtung Konstanz und von dort auf dem „Schwabenweg" bis Einsiedeln in der Schweiz. Seit wenigen Jahren steht nun die erste Deutschlandkarte mit den 'Hauptwegen' zur Verfügung, an denen man sich orientieren kann. Daneben gibt es auch viele Nebenwege, wie man vor allem im Südwesten sieht. 
Z-Karte-JW-Deutschl-2009

Es gibt auch eine Karte "Jakobswege in Baden-Württemberg", die die Arbeitsgemeinschaft der Jakobusgesellschaften und -initiativen in Baden-Württemberg herausgegeben hat: 
karte_jakobswege_in_baden-wuerttemberg




Pilgersegen, Hut, Stock und Tasche

 

0068-10_konstanz_mnster_st_jakobus_p1000247In vielen Kirchen, vor allem am Sitz von Jakobusgesellschaften kann der Pilger vor seinem Aufbruch oder an den alten Sammelstellen wie Konstanz, Le-Puy oder Roncesvalles den Pilgersegen erhalten. Die Jakobusgesellschaften vermitteln Ort und Termine dieser Andachten. Früher, als das Pilgern noch ein sehr gefährliches Abenteuer war und nicht wenige Pilger in der Ferne starben, war es notwendig, dass der Pilger vor seinem Aufbruch seine laufenden Geschäfte abwickelte und zu einem ordentlichen Abschluss brachte, sein Testament schrieb und als tief religiöser Mensch die Messe besuchte, beichtete, kommunizierte und als Stärkung für den Weg den Pilgersegen empfing. Es gab und gibt keine feste Liturgie für den Pilgersegen. Die Texte variieren sehr stark. Früher war es üblich, dass der Pilger im Rahmen dieser Andacht Hut, Stock und Tasche ausgehändigt bekam. Die Jakobusdarstellung im Konstanzer Münster erinnert an diesen Brauch.

 

 


Die Jakobsmuschel

 

jakobus-2Im Mittelalter war es üblich, dass der Pilger sich am Ziel seiner Reise ein Pilgerabzeichen erwarb. Für den Jakobspilger war dies die Jakobsmuschel. Später gehörte die Muschel zur Pilgerausstattung wie Hut, Stock und Tasche. Die historischen Jakobusdarstellungen zeigen den Pilger wie den Apostel Jakobus stets mit Muschel. Heute kann sich jeder Pilger die Muscheln bei den Jakobusgesellschaften - aber auch in einem guten Restaurant oder Delikatessengeschäft besorgen. Ich habe mir meine Muschel in der Markthalle in Stuttgart besorgt.

 

 






Das Galgenwunder

 

0162-21_tafers_jakobskapelle_galgenwunder_p1000433In und an vielen Kirchen am Jakobsweg ziert das Galgenwunder Außenfassaden, Altäre und Gemälde. Dieses „Wunder" hat den Legenden folgend nicht nur in Santo Domingo de la Calzada, also dort wo heute noch ein Hühnerstall in der Kirche vorgehalten wird,  stattgefunden, sondern angeblich auch in Utrecht, Aachen, Toulouse, Belorado, und Barcelos. Folgende Geschichte soll sich nach der Legende zugetragen haben:

Ein deutsches Ehepaar aus Xanten pilgert mit seinem Sohn 1417 nach Santiago de Compostela. Unterwegs in einer Herberge verliebt sich die junge Magd in den Sohn, der aber, keusch und fromm wie er ist, das Angebot, mit ihr ins Bett zu steigen, ablehnt. Aus Wut über diese Abweisung schmuggelt sie einen Silberbecher in seinen Rucksack und zeigt nach dem Aufbruch der Pilgerfamilie einen Diebstahl an. Der Sohn wird ergriffen und zum Tode durch Erhängen verurteilt. Bevor die Eltern die Reise fortsetzen, kommen sie zum Galgen zurück und finden ihren Sohn noch lebend vor. Er sagt, dass der Heilige Dominikus (Santo Domingo de la Calzada) ihn heben würde und ihm nichts fehle. Die Eltern gehen zum Richter, der sich gerade im Wirtshaus anschickt, einen gebratenen Hahn und eine gebratene Henne zu verspeisen und erzählen ihm das Erlebte, worauf dieser mit Selbstsicherheit erklärt, dass der Sohn so tot sei wie die zwei Vögel auf seinem Teller. In diesem Augenblick kräht der Hahn und das Pärchen fliegt vom Teller weg auf und davon. Der Richter erkennt die Unschuld des Sohnes, vernimmt die gestehende Magd, nimmt den Sohn vom Galgen herunter und lässt dafür die Magd aufhängen.

In den einzelnen Orten variiert die Geschichte etwas. Die früheste Version stammt aus dem Jahr 1020. Einmal hilft der Heilige Dominikus, ein anderes Mal der Apostel Jakobus selbst. Manchmal laufen nur Vater und Sohn, manchmal nur das Ehepaar. Auch ist nicht immer die verliebte Magd mit dabei, aber der Kern der Geschichte ist immer der gleiche: Irgendeiner hängt unschuldig am Galgen und wird vom Heiligen Dominikus oder Jakobus gehalten.

Mit der bildnerischen Präsentation der Geschichte an und in vielen Kirchen am Jakobsweg wollte man den Pilgern schon vor dem Start oder zu Beginn der Wanderung vermitteln, dass sie unter dem besonderen Schutz der göttlichen Macht stehen, dass ihr innerer und äußerer Weg geführt wird, wenn sie sich auch auf das Pilgern einlassen. 

Als Pilger wird man auf dem Weg nach Santiago mehr als einmal mit einer Darstellung dieser Geschichte konfrontiert. 

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